Veranstaltung: | Vollversammlung des ZdK 2020 |
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Antragsteller*in: | Andreas Luttmer-Bensmann und Stefan-B. Eirich (KAB) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 12.11.2020, 15:59 |
A3: Menschenwürde darf nicht von der Kaufkraft abhängen
Antragstext
Die Versammlung möge beschließen:
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken nimmt das Positionspapier
„Menschenwürde darf nicht von der Kaufkraft abhängen“ zur Kenntnis und fordert
auf dieser Grundlage zu einem Diskurs in kirchlichen Gremien, Institutionen und
Organisationen auf.
Menschenwürde darf nicht von der Kaufkraft abhängen
Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, Populismus und
Fremdenfeindlichkeit, demographischer Wandel und die Angst abgehängt zu werden,
sind in unserer Gesellschaft unverkennbar. Diese Anzeichen zeigen, dass wir
täglich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt ringen müssen. Nüchtern müssen
wir feststellen, dass Religion allein nicht automatisch zu mehr
gesellschaftlichem Zusammenhalt führt. Nächstenliebe, Versöhnung und Beteiligung
sind aus dem Glauben geprägte Werte, die es immer wieder neu zu gestalten gilt.
Für uns Christinnen und Christen ist klar, dass soziale Gerechtigkeit und
gesellschaftlicher Zusammenhalt nicht voneinander zu trennen sind. Sie hängen in
entscheidender Weise voneinander ab. Soziale Gerechtigkeit berührt aus unserer
Sicht mindestens zwei Aspekte:
- Die Idee einer Bedingungslosigkeit. Unser Engagement schöpft aus der
Überzeugung, dass Gott sich uns bedingungslos schenkt. Seine Zusicherung,
bei uns zu sein bis ans Ende aller Tage, ist nicht an Voraussetzungen
geknüpft. Aus dieser Grundüberzeugung ergibt sich für uns die Frage: Wie
können aus dem Zusichern der Bedingungslosigkeit Gottes politische Impulse
für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erwachsen? Wir brauchen
Initiativen, die es Menschen ermöglichen, ihre Lebensverhältnisse selbst
in die Hand zu nehmen und die ihnen notwendige Solidarität der
Gemeinschaft zukommen zu lassen.
- Der Ausgleich untereinander, der finanziell und beteiligend zu sehen ist.
Wir lassen uns von der Idee leiten, dass Gemeinwohl und Einzelwohl, die
Aufgaben und Grenzen sowohl staatlicher Einrichtungen als auch
wirtschaftlicher Unternehmen,in einen Ausgleich gebracht werden können.
Hier gilt es über Initiativen nachzudenken, die für uns unerlässlichen
Prinzipien des Gemeinwohls und der Nachhaltigkeit zu stärken. Genauso wie
der Staat sich nicht dem Markt unterwerfen darf und Sozialpolitik immer
mehr sein muss als ein Anhängsel der Gesetzgebung, bedarf es auch einer
Perspektive, die über die eigene Generation hinausgeht.
In einer Gemeinschaft, die sich als christlich geprägt versteht, darf die
Menschenwürde nicht von der Kaufkraft abhängen. Ein gutes Leben für alle ist
möglich und darf nicht vom Konsum vereinnahmt werden, es ist mehr als
materieller Reichtum.
Eine dem Gemeinwohl verpflichtete Politik sorgt für Ausgleich und Mitbestimmung.
Gerade Beschäftigte und ihre Familien, junge und alte Menschen sind auf ein
„gerechtes Regieren“ angewiesen. Für uns liegt ein erster Schritt zum sozialen
Ausgleich, zu mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem gerechteren
Steuersystem. Steuerschlupflöcher müssen gestopft, Steueroasen beseitigt werden.
Nach wie vorerachten wir eine Finanztransaktionssteuer für unverzichtbar.
Doch diese Schritte allein werden nicht ausreichen. Ein umfassender sozialer
Ausgleich wird erst durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen möglich. Wie nötig
es ist, zeigt sich derzeit an zwei elementaren Schnittstellen des Lebens – am
Anfang und im Alter. Das Bündeln der zersplitterten Unterstützungsleistungen für
Kinder zu einer Grundsicherung, die Hilfen unbürokratisch und
diskriminierungsfrei ermöglicht, ist genauso ein Gebot der Stunde wie eine
Grundrente. Auch die Absicherung in Alter muss aus unserer Sicht ohne
Bedürftigkeitsprüfung erfolgen – mithin bedingungslos.
Gesellschaft und Arbeitswelt wandeln sich durch Phänomene wie Globalisierung und
Digitalisierung deutlich. Spätestens wenn durch die Folgen der Digitalisierung
Erwerbsarbeit weniger wird, ist mit einer Vertiefung der sozialen Unterschiede
zu rechnen. Anzustreben ist eine Gesellschaft, in der jegliche Form menschlicher
Arbeit, private Tätigkeit, gemeinwesenbezogene Tätigkeit und erwerbsbezogene
Tätigkeit als gleichwertig betrachtet wird. Im Hinblick darauf und als
Unterstützung muss eine andere Form der Besteuerung von Arbeit realisiert
werden. Eine Wertschöpfungsabgabe ist nicht nur Alternative, sondern ermöglicht
weiter Schritte in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Wohlstand ist für uns etwas anderes als die bloße Anhäufung von Reichtümern.
Unter den Stichworten Bildung und Beteiligung steht die Mitbestimmung und die
Befähigung dazu im Mittelpunkt. Die Teilhabe an den politischen Prozessen in
Kommunen, Land und Bund sowie die Mitbestimmung in den Betrieben lassen die
Demokratie erst lebendig werden. Das Ringen um gerechte Löhne, faire
menschenwürdige Arbeitsbedingungen sowie vernünftige soziale Absicherungen
stehen an oberster Stelle. Über seine Zeit frei verfügen zu können ist ebenso
Wohlstand, wie eine Arbeit, die Sinn ergibt und Freude macht. Für uns ist daher
unerlässlich, dass Mitbestimmung auf allen Ebenen gewährleistet wird.
Wohlstand, Beteiligung und Zuversicht sind untrennbar mit gesellschaftlichem
Zusammenhalt verbunden. Während kleine Gemeinschaften Geborgenheit geben, drohen
größere Zusammenhänge aufgrund vermeintlicher Ängste vor dem Fremden
auseinanderzudriften. Zudem ist die Wahrnehmung zwischen den Generationen, was
gesellschaftlicher Zusammenhalt sein sollte, verschieden und spiegelt sich in
differenzierten Ängsten und Vorbehalten wider.
Wir erwarten, dass die Kirche deutliche Impulse setzt. Impulse für eine von
Nächstenliebe, Vernunft, Versöhnung und Bedingungslosigkeit – um nur einige zu
nennen – geprägte Gesellschaft. Wir können diese Ideale nur dann erlangen, wenn
wir sie selbst leben. Das Evangelium liefert die passenden Erzählungen dazu; sie
müssen aber auch überzeugend umgesetzt und weitergegeben werden. Eine
Übersetzung der frohen Botschaft in den Alltag in Gottesdiensten, Andachten und
Gesprächen sehen wir als Mitgestaltung an der Zukunft – hin zu mehr sozialem
Ausgleich und Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Wir fordern unsere Bischöfe auf, soziale Gerechtigkeit zur Bedingung des
Zusammenlebens zu machen und stärker in die Gesellschaft zu tragen. Die Kirche
muss sozialpolitischer auftreten und die Anliegen der Katholischen Soziallehre
verkünden, leben und vor allem von Politik und Wirtschaft einfordern. Wir sind
aufgefordert, stärker auf die Sorgen der Menschen zu hören. Gemeinsam gilt es,
Initiativen zu schaffen, die durch die Motive der Soziallehre und caritativer
Aspekte dazu verpflichten, dass Menschen die Möglichkeit gegeben wird, ihr Leben
selbst zu gestalten und dass sie durch die Gemeinschaft in Solidarität
unterstützt werden. Gemeinwohl und Nachhaltigkeit müssen als leitende Prinzipien
vorangestellt werden.
Wir betrachten aufmerksam die derzeit stark und vor allem durch Jugendliche
vorangetriebene Diskussion um den Klimaschutz und stellen nicht nur fest, dass
sich die junge Generation Sorgen um ihre Zukunft macht, sondern auch, dass im
Sinne Papst Franziskus‘ das Thema Umweltschutz zugleich immer auch ein soziales
Thema ist. Unsere Handlungen und Gewohnheiten haben Konsequenzen für Menschen in
anderen Teilen der Welt. Eine Globalisierung der Gerechtigkeit bedeutet dabei,
darauf hinzuwirken, dass ein sozialer Ausgleich auch in größerem Maßstab
stattfinden muss.
Begründung
Der Bundesausschuss der KAB Deutschlands hat dieses Positionspapier im Frühjahr 2020 beschlossen. Mit der Positionierung soll eine in der Kirche in Deutschland eine intensive Auseinandersetzung mit der Kommerzialisierung menschlichen Lebens angeregt werden.
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